19. Vertrauen
Die Gaukler waren nach Mardenach zurückgekehrt, sehnsüchtig erwartet von Marie. Nerissa grinste, als Ardin sofort mit der Bauerntochter verschwand. Bardo bat Merten, sich um das Pferd zu kümmern, die anderen versammelte er zu einer Lagebesprechung um sich.
„Was machen wir mit den beiden?“, war die Frage, die er allen stellte. Er ergänzte selbst: „Merten ist ein schlauer Kopf, sonst hätte er uns nie finden können. Ardin hat sich lange von Engelbert im Kreis herum führen lassen, er ist eben einer von unten.“
Erst nach längerem Schweigen antwortete Jando: „Vielleicht möchte der Junge mit uns gehen. Wir können ihn gebrauchen, und du, Narda wärst wohl glücklich darüber.“
Finn öffnete den Mund, aber bevor er etwas sagen konnte, antwortete schon Narda: „Ja, er muss mit!“
Die anderen nickten. Nur Finn senkte den Kopf, widersprach aber auch nicht.
Jando fuhr fort: „Ardin ist ein schwieriger Fall. Er hat mitgespielt, ohne seine Hilfe wäre die Befreiung viel schwerer geworden. Trotzdem traue ich ihm nicht weiter als einer Elster an der Schmuckschatulle. Er kann jederzeit wieder die Seite wechseln und uns gefährlich werden.“
„Mitnehmen können wir ihn nicht“, antwortete Bardo, „er kann uns nicht als Lehrer helfen, er kann auch nicht kämpfen wie Engelbert.“
Borgun wand ein: „Mit seinem Abzeichen und der Kutte kann er uns aber Türen öffnen, Probleme aus dem Weg räumen.“
Jando antwortete: „Ja, sicher. Die Frage ist aber, ob er überhaupt mitgehen will.“
„Das glaube ich nicht“, sagte Nerissa, „er wird bei Marie sein wollen und die können wir nicht auch noch mitschleppen!“
„Ja, er muss hierbleiben, bei Marie“, antwortete Bardo, „aber wie ist das möglich? Er ist kein Bauer, kein Handwerker, er hat keine Fähigkeit, mit der er in dieser Welt seinen Lebensunterhalt verdienen könnte.“
Nerissas Augen blitzten auf: „Dieses Dorf hat keinen Pfarrer. Die kleine Kirche wird seit Jahren nicht genutzt. Wir können Ardin hier als Pfarrer installieren!“
„Das ist nicht dein Ernst!“ prustete Jando los, „er weiß nichts über diese Welt. Vermutlich kennt er das Weisheitsbuch auswendig, wenn die unten überhaupt dasselbe haben, aber in unserer Welt die Menschen taufen, verheiraten und begraben? Wie soll das gehen?“
Bardo sprach: „Doch, ich glaube, das müsste gehen. Narda, du bist die Beste darin, Nerissa kann helfen, wenn du etwas nicht weißt. Ihr versetzt ihn in Trance und bringt ihm bei, was er braucht, um die Aufgaben eines Dorfpfarrers erfüllen zu können!“
Es gab keinen Widerspruch, aber einige Gesichter voller Zweifel.
„Ich kann die Kirche herrichten“, schlug Borgun vor.
Bardo nickte: „Ja, da gibt es wohl einiges zu tun. Merten kann helfen. Vor allem müsst ihr gründlich nach einer Stiftertafel suchen und wenn ihr eine findet, den Mechanismus dahinter zerstören.“
Jando wand ein: „Sei vorsichtig dabei. Wir wissen nicht, wie das funktioniert. Es soll danach noch genauso aussehen wie vorher, aber es darf keine Nachrichten übertragen, vor allem nicht wenn du daran arbeitest.“
„Wie verkaufen wir es den Dorfbewohnern?“, fragte Finn.
Bardo antwortete: „Das kriegen wir hin: Ardin hat den geistlichen Rang, um sich selbst als Pfarrer ins Amt einsetzen zu können. Den Freibrief des Fürsten können wir nutzen, um das alte Kirchhaus in Besitz zu nehmen.“
„Aber wer verheiratet ihn mit Marie? Das kann er schlecht selbst machen.“, warf Jando ein.
Bardo hatte auch dazu eine Idee, allerdings eine gewagte: Sie würden den Pfarrer aus Goselar holen und bitten, die Trauung zu vollziehen. Die wiedereröffnete Kirche gleich mit einer Hochzeit einzuweihen, sollte ein perfekter Anfang für sie sein.
Narda fragte Jando: „Bin ich an all dem schuld?“
Der Gaukler tröstete das Mädchen: „Es ist manchmal schwer, sich zwischen Vernunft und Gewissen zu entscheiden. Schäme dich nicht, dass du deinem Herzen gefolgt bist. Überlege dir lieber, wie du es besser machen kannst, wenn du wieder jemandem helfen willst!“
„Ich weiß nicht, was ich hätte tun sollen. Wenn man ein Kind sterben sieht, dann muss man doch helfen!“
„Ja, Narda! Du hast aber, weil dein Herz regiert hat, vergessen, was du kannst!“
Narda fragte nach: „Was meinst du?“
„Dein Lied, Narda! Nutze die Macht, die du hast. Wenn jemand sieht, dass du etwas tust, was er nicht begreift, kannst du es ihn einfach vergessen lassen!“
„Daran hatte ich nicht gedacht und die Zeit blieb auch nicht.“
„Ich weiß“, antwortete der Gaukler, „Meister Bardo zog dich sofort weg, Warum bist du von Borgun ausgerissen und hast dich in Gefahr gebracht?“
„Ich bin mir nicht sicher. Irgendwie glaubte ich, dass ich mit meinem Lied die Menschen beruhigen könnte, dass sie mir dann nichts tun würden.“
Jando nickte und sagte: „Die anderen glauben, du wolltest dich opfern, damit niemand anderes getötet wird.“
Das Mädchen antwortete: „Vielleicht stimmt das auch ein bisschen, aber damit habe ich euch alle noch mehr in Gefahr gebracht!“
Der Gaukler entgegnete ernst: „Eine Situation wie diese musste eintreten, das war nur eine Frage der Zeit. Das ist nicht deine Schuld! Es ist unsere Aufgabe, dich zu schützen. Du weißt noch nicht warum, aber du, genau du bist wichtig! Du musst lernen, noch besser werden und dazu musst du überleben und du musst frei sein.“
„Was macht dir Sorgen“, fragte das Mädchen.
„Ich frage mich, wann sie nach Ardin suchen werden“, antwortete Jando, „oder ob sie es vielleicht schon tun.“
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